Meditation für AnfängerInnen: Die Grundlagen der meditativen Praxis

Meditation für AnfängerInnen beruht oft auf dem Verständnis von Meditation als Achtsamkeitstechnik, die uns alle möglichen positiven Effekte verspricht — Innere Ruhe, mehr Fokus, verbessertes allgemeines Wohlbefinden, mehr Resilienz oder weniger Stress im Alltag.

Und auch wenn alle diese Effekte der Wahrheit entsprechen, so ist Meditation viel mehr als die Summe dieser einzelnen Teile. Meditation, besser gesagt Yoga, ist eine jahrtausende alte, indische Philosophie, die dich vom Leid befreit und dich zu deinem wahren Selbst führt.

Wenn du Meditation wirklich in der tiefe verstehen und in dein Leben integrieren möchtest, ist ein gewisses Verständnis der Philosophie, die Grundlage deiner meditativen Praxis.

Warum genau erfährst du in diesem Artikel.

 

Philosophie als Grundlage der Meditation

Es gibt hunderte verschiedener Traditionen in denen Meditation eine Rolle spielt. Jede mit ihrer eigenen Weltanschauung und eigenen Philosophie. Damit hier und heute keine Irrungen und Wirrungen aufkommen — in diesem Artikel geht es um Yoga, nicht im Sinne von Asana, sondern im Sinne von Yoga als eine der sechs klassischen Darshanas der indischen Philosophie.

Übersetzt bedeutet Darshana soviel wie Sichtweise oder Weltanschauung. Darhsanas sind also Erklärungsmodelle für die Wirklichkeit und der Versuch Antworten auf die existenziellen Fragen, die wir uns früher oder später im Leben stellen: “Was ist der Sinn des Lebens”?, “Warum bin ich hier?”, zu finden.

Die Sichtweise, die Darshana, die uns in diesem Artikel besonders interessiert ist: Yoga. Die anderen fünf Darshanas heben wir uns für ein anderes Mal auf.

Laut indischer Philosophie bezieht sich Yoga Darshana hauptsächlich auf die Yoga Sutras. Eine Art Yoga-System, das von Patanjali ca. 600 vor bis 200 nach Christus aus verschiedensten Schriften zusammen gesammelt und niedergeschrieben wurde.

Meditation in den Yogasutras

Yogasutras nach Patanjali

yogaś-citta-vṛtti-nirodhaḥ — Patanjali 1.2

Das Yogasutra ist eine der wichtigsten Yogaschriften und bildet die Grundlage des sogenannten Raja Yoga. Oft wird das Yogasutra auch als Abhandlung über den menschlichen Geist verstanden. Denn im Text geht es darum, wie wir unseren Geist kennenlernen und kontrollieren können, um so unser Leid zu überwinden und in die Selbstverwirklichung zu kommen.

Yogas chitta vritti nirodhah = „Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist“ — Patanjali

Patanjali stellt Yoga in den Yogasutras als einen achtgliedrigen Weg da, dem wir Schritt für Schritt folgen, um zum höchsten Ziel, dem Erkennen unseres wahren Selbst, oder auch der Erleuchtung (Samadhi) zu kommen.

Meditation ist Schritt Nummer sieben auf diesem achtgliedrigen Weg. Auf der einen Seite also der letzte Schritt vor der Erleuchtung und auf der anderen Seite gab es bereits sechs Schritte zu vor, mit denen wir uns im besten Fall angefreundet haben. Denn laut Patanjali, bauen diese Schritte aufeinander auf. Wir fangen also nicht einfach mit Schritt Nummer sieben, Meditation an, sondern gehen der Reihe nach vor.

Und vielleicht ist auch genau das der Grund, warum es so vielen Menschen schwer fällt an ihrer Meditations-Praxis dranzubleiben. Und vielleicht würde es uns allen viel leichter fallen zu meditieren, wenn wir mit allen diesen Schritten vertraut wären?!

Also, gucken wir uns den achtgliedrigen Yogaweg einmal genauer an.

Der achtgliedrige Yogaweg nach Patanjali

Die Yogasutras sind vielfach übersetzt und vor allem kommentiert worden. Die Verse sind kurz, knapp und präzise geschrieben, was auf der einen Seite sehr hilfreich erscheint und auf der anderen Seite viel Raum für Interpretation lässt. Kein Kommentar zu den Yogasutras ist wie der andere, von daher wundere dich nicht, wenn du irgendwo im Internet andere Übersetzungen zu den acht Teilen dieses Yogawegs findest. Wir nutzen heute die gängisten und bekanntesten Interpretationen.

Was ist er nun dieser achtgliedrige Yogaweg nach Patanjali? Wie gesagt, es ist eine schrittweise Anleitung, wenn du so willst, wie du zur Erleuchtung kommen kannst.

Halt! Bevor du dich jetzt hier verabschiedest, weil du denkst — Hey ich mache Meditation für AnfängerInnen, was erzählt die mir denn jetzt von Erleuchtung… Möchte ich dir sagen, es geht gar nicht darum, ob oder ob du nicht für dich die “Erleuchtung” finden möchtest. Es geht darum, dass wenn wir Meditation kennenlernen und praktizieren wollen, wir uns nicht nur mit den technischen, sondern auch den philosophischen Grundlagen auseinander setzten sollten.

Nicht nur, weil diese Auseinandersetzung einen wirklichen Einfluss auf deine Meditation hat, sondern auch, weil wir dieser Philosophie mit dem nötigen Respekt begegnen sollten und sie uns eben nicht einfach “nur” aneignen wollen ohne darüber nachzudenken.

Die 8 Glieder nach Patanjali:

  1. Yama — ist die Ethik die wir anderen gegenüber darbringen sollten. Dazu zählen Ahimsa “Gewaltlosigkeit”; Satya „Wahrhaftigkeit“; Asteya „Nicht-Stehlen“; Brahmacarya „Selbstbeherrschung“; Aparigraha „Nicht-Besitzen-Wollen“.

  2. Niyama — ist die Ethik mit der wir uns selber gegenüber treten. Dazu gehört Sauca „Reinheit“; Santosha „Zufriedenheit“; Tapas „Selbstdisziplin“; Svadhyaya „Selbststudium“; Ishvarapranidhana „Hingabe an das göttliche“.

  3. Asana — ist die physische Yogapraxis, also Körperhaltungen.

  4. Pranayama — ist die Kontrolle über den Atem, aber auch die Lebensenergie

  5. Pratyahara — ist das Zurückziehen der Sinne

  6. Dharana — ist die Konzentration, die Ausrichtung des Geistes auf einen Punkt

  7. Dhyana — ist die Meditation oder meditative Praxis

  8. Samadhi — die Erleuchtung oder das erkennen des wahren Selbst

Wenn wir diese acht Glieder als Entwicklungsstufen verstehen, auf denen wir uns von einer zur nächsten bewegen, haben wir also einiges zu tun, bevor wir zur Meditation kommen. Darum ist es in der indischen Tradition ganz normal eine:n Lehrer:in zu haben, die uns auf diesem Weg begleiten und unsere Entwicklung unterstützen. (Woran an du gute Meditationslehrer:innen erkennen kannst, kannst du in diesem Artikel nachlesen.)

Gute Lehrer:Inne teilen nicht nur ihre eigenen Erfahrungen aus Philosophie und Praxis, sie helfen uns besonders in den Momenten in denen wir nicht vorwärts kommen in unserer Praxis. Sie bieten uns eine Projektions- und Reflexionsfläche, die uns hilft tiefer in uns selber einzutauchen.

Meditation für Anfänger — Beispiele aus der Philosophie

Doch was bedeutet, dass jetzt alles für deine Meditations-Praxis?

Ganz einfach, Yoga und damit Meditation ist eine Lebensphilosophie. Es ist eine Art und Weise dein Leben so zu gestalten, dass du dich immer wieder selbsttransformieren kannst und das passiert eben nicht nur auf deinem Meditationskissen, sondern vor allem auch im Umgang mit dir selber und im Umgang mit anderen.

Nehmen wir Ahimsa als Beispiel, eines der oben genannten Yamas. Ahimas wird oft als Gewaltlosigkeit verstanden, genauer gesagt, als Gewaltlosigkeit gegenüber allen Lebewesen. Also kein Fleisch mehr essen, keine gewaltsamen Auseinandersetzungen etc. Und so sehr das auch richtig ist, ist Ahimsa noch viel mehr als das. Gewaltloser Umgang mit anderen, aber auch gewaltlose Kommunikation mit anderen. Und nicht nur mit anderen, sondern auch mit dir!

Stell dir vor du bist in deiner Meditation, in der Stille, und wie so oft und gerne, ist das der Moment in dem alle deine Widerstände nach oben kommen. Wie hören sich deine Selbstgespräche dann an?

“Ich kann das nicht”, “Ich bin nicht schlau, klug, hübsch genug”, “Alle sind besser”…. klingt das nach gewaltfreier Kommunikation für dich?

NEIN!

Und jetzt stell dir vor du würdest Ahimsa praktizieren. Du sitzt also in deiner Meditation, die negativen Selbstgespräche kommen auf, du erkennst sie und tauscht sie gegen positive Sätze aus.

Hat das einen Einfluss auf deine Meditation? Ja! Natürlich! Und später auch auf dein Leben, wenn du es regelmäßig übst.

Ein anderes Beispiel: Tapas, eines der Niyamas, die Selbstdisziplin. Tapas ist eine der Eigenschaften, die wir auf dem spirituellen Weg definitiv brauchen. Ohne Selbstdisziplin keine tägliche Meditations-Routine, damit kein Erkennen der negativen Gedankenmuster und auch kein Aufbrechen dieser Muster und damit keine oder nur bedingte Selbsttransformation.

Asana, natürlich können wir leichter in der Meditation sitzen, wenn unser physischer Körper gesund ist.

Pranayama, natürlich können wir besser meditieren wenn unsere Atemwege gereinigt und unsere Lebensenergie frei fliessen kann.

Pratyahara, natürlich können wir besser meditieren, wenn unsere fünf Sinne, sehen, hören, schmecken, riechen, fühlen uns nicht ständig mit dem ablenken was gerade im Außen passiert.

Dharana, natürlich können wir besser meditieren, wenn unser Geist, unser Verstand sich auf einen Punkt fokussieren kann. Sei es dein Atem oder ein Mantra. Je besser dein Geist sich fokussieren kann, umso weniger läuft er dir davon, um so mehr erkennst du die Momente zwischen deinen Gedanken.

Und um so länger und tiefer werden die Momente der Meditation, Dhyana.

Natürlich ist jede einzelne Stufe weitaus vielschichtiger, als ich dir in diesen kurzen Beispielen mitgeben konnte. Denn Yoga und damit auch Meditation ist vielschichtig. Dennoch hoffe ich, dass dir diese kurzen Beispiele zeigen konnten, wie du deine meditative Praxis anhand dieser Stufen aufbauen kannst, um deine ganze persönlich Erfahrung mit Meditation zu machen.

Meditation ist eine Erfahrung

Denn im Gegensatz zu unseren westlichen Philosophien, die vorrangig auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Ausführungen basieren; basieren indische Philosophien auf tatsächlich gelebten Erfahrungen.

Was das bedeutet?

Das die Menschen, die diese uralten indischen Texte geschrieben haben, alle samt ihre eigenen Erfahrungen niedergeschrieben haben. Diese Menschen haben selber täglich in der Meditation gesessen, habe Techniken, Rituale, Mantren, Atem, Körper was auch immer benutzt, um sich selber näher zu kommen.

Genau diese Erfahrungen haben sie aufgeschrieben in der Hoffnung, dass andere Menschen auf dieser Grundlage ihre eigenen Erfahrungen mit der Praxis machen.

Darum ist keine Meditation gleich und du wirst deine Meditation anders empfinden, als deine besten Freunde. Und genau darum gehts, Meditation ist deine Erfahrung. Werde dir dessen bewusst, bevor du mit deiner meditativen Praxis beginnst.

Meditation für Anfänger ist oft nicht so leicht, weil wir uns so schwer in der Meditation vergleichen können und weil wir immer so gerne wissen möchten, wie wir es denn nun “richtig” machen.

Das Schöne ist, wenn du Meditation als Erfahrung verstehst, gibt es kein richtig und kein falsch mehr.

Und wenn du dich dann auch noch am achtliedrigen Yoga Weg orientierst hast du eine gute Grundlage für deine Praxis.

Der achtgliedrige Weg nach Patanjali gibt dir eine feste Struktur nach der du dich ausrichten kannst und innerhalb derer du ganz frei deine eigenen Erfahrungen machen kannst.

Wenn du jetzt noch nach einer praktischen Anleitung zum meditieren suchst, findest du diese hier.

Fazit

Die Grundlagen für die meditative Praxis, egal ob Mediation für Anfäger:Innen oder Fortgeschrittene sind in der Philosophie zu finden.

Dabei spielt es keine Rolle, ob du dich zum Yoga und damit der yogischen Philosophie, wie oben beschrieben hingezogen fühlst, oder ob dein Herz für den Buddhismus schlägt oder jegliche weitere Traditionen von Yoga und Buddhismus. Ohne die entsprechende Philosophie der Tradition, nach der du meditierst zu kennen, wird dir immer ein gewisses Verständnis für das was du tust fehlen.

Wir können Meditation in ihrer Ganzheit eben nur dann verstehen, wenn wir uns eben auch mit den philosophischen Konzepten und vor allem den Wurzeln dieser Konzepte befassen.

Diese Auseinandersetzung bedeutet nicht, dass du gleich dein komplettes Leben auf den Kopf stellen musst, um alles gleichzeitig um zusetzten. Wie im wahren Leben, geht es darum Schritt für Schritt deine eigenen Erfahrungen zu machen, die Konzepte in dein Leben einzuladen für die Zeit und Raum ist und darüber immer mehr deine eigene Selbsttransformation voranzutreiben.



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