Warum meine Selbstfindung noch nicht abgeschlossen ist

Selbstfindung — oft belächelt als das verzweifelte Dasein von Menschen, die nichts mit ihrem Leben anzufangen wissen und gleichzeitig die essentiellste Frage, die wir uns als Mensch stellen können:

“Wer bin ich?” und “Warum bin ich eigentlich hier?”

 

Was verstehen wir unter Selbstfindung

Der Begriff Selbstfindung stammt aus der Entwicklungspsychologie und beschreibt einen in der Pubertät beginnenden Prozess, durch den ein Mensch versucht, sich in seinen Eigenheiten und Zielen zu definieren, vor allem in Abgrenzung von der Gesellschaft und ihren Einflüssen.

Selbstfindung passiert daher auf verschiedenen Ebenen, materiell, geistig und sozial und betrifft nicht nur einen sondern alle unsere Lebensbereiche.

Als Ziel der Selbstfindung wird oft die Selbstverwirklichung genannt, was erstmal ziemlich abstrakt erscheint.

Entgegen aller neumodernen Psychoratgeber, die “Selbstfindung” gerne als modernes Phänomen unserer Zeit darstellen, wird beim Blick in die Entwicklungspsychologie also klar, der Selbstfindungsprozess ist im Zweifel so alt, wie die Menschheit selbst, nur das Bewusstsein über diesen Prozess hat sich nach dem Bestsellerbuch “Eat Pray Love” von Elizabeth Gilbert, stark verbreitet.

Warum ist der Selbstfindungsprozess wichtig?

Vielleicht hattest du schon einmal das Gefühl nicht mit dir im Reinen zu sein, nicht dazu zu gehören oder gar im völlig falschen Film zu sein. Im Zweifel waren das die ersten Anzeichen eines Selbstfindungsprozesses.

Denn diese Gefühle und Empfindungen kommen dann auf, wenn wir nicht auf unsere Bedürfnisse achten und im schlimmsten Fall sogar an unserem Leben vorbei leben.

Und sobald wir merken “irgendetwas stimmt nicht” beginnt die Selbstfindungsreise — der Weg zum wahren ich.

Egal ob Job, Partnerschaft oder Freundschaften, dass Gefühl von “irgendetwas stimmt hier nicht” kann in jedem Lebensbereich auftreten, in dem wir nicht nach unseren Vorstellungen leben oder für den wir vielleicht noch gar keine Vorstellungen haben. Je schmerzhafter dieses Gefühl wird, um klarer dass es Zeit ist etwas zu ändern. Bei manchen Menschen muss es manchmal auch erst richtig weh tun, aber wenn du genau hinhörst, kannst du die ersten Zeichen schon früh erkennen.

Und sobald wir merken “irgendetwas stimmt nicht” beginnt die Selbstfindungsreise — der Weg zum wahren ich.

 
Selbstfindung ist ein lebenslanger Prozess
 


Effekte der Selbstfindung

Selbstfindung verhilft uns zu einem glücklicheren und zufriedenerem Leben. Wenn du dich selber kennst, weißt du was du vom Leben möchtest und wer du bist, was dir wiederum das Gefühl gibt dein Leben selber in der Hand zu haben und festverwurzelt mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen. Selbstfindung gibt dir also Halt und Orientierung. Die wichtigsten Effekte der Selbstfindung sind:



  • Du kennst deine Stärken: auf der Suche nach deiner eigenen Identität, deinen Zielen und Wünschen für dieses Leben, werden dir auch deinen eigenen Stärken mehr und mehr bewusst. Je mehr du dich mit diesen Stärken befasst und sie in deinen Alltag integrierst, um so selbstbewusster wirst du und um so weniger wirst du dich für dich oder andere verdrehen.

  • Du setzt klare Grenzen: Selbstfindung führt dazu, dass du dir deiner eigenen Bedürfnisse bewusst wirst und je selbstbewusster du für deine eigenen Bedürfnisse einstehst, um so mehr Grenzen setzt du. Nicht nur bei Dingen die du nicht tun willst, sondern gerade auch bei Dingen, die du unbedingt tun möchtest.

  • Du beziehst Position: dein eigenes Wertesystem zu erkennen und danach zu handeln, ist ein natürlicher Teil von Selbstfindung. Wenn du nach deinen Werten handelst, beziehst du automatisch Position und machst klar wo für du stehst und wofür nicht. Deine eigene Persönlichkeit, dein wahres ich kommt immer mehr zum Vorschein.

  • Du wirst glücklicher: wir alle empfinden und definieren Glück anders. Dazu müssen wir uns allerdings mit uns selber auseinandergesetzt haben, um überhaupt wissen zu können, was uns glücklich macht.



Selbstfindung und innere Freiheit

Selbstfindung passiert immer auch in Abgrenzung zum Außen, also in Abgrenzung zu gesellschaftlichen Normen und Vorschriften. “Wer bin ich und wer möchte ich sein” oder eben “Wer möchte ich NICHT sein”.

Je nach dem wie weit wir uns von den gesellschaftlichen Vorgaben entfernen, stoßen wir während unserer Selbstfindungsreise gerne auch auf Widerstand oder gar Abneigung.

Ein kleines Beispiel: Wenn alle in deiner Familie einen Führerschein haben und du als einzige Person dich dagegen entscheidest, kann das gerade am Anfang der Selbstfindung schon mal schwierig für den eigenen Weg werden…

Müssen wir dann nicht also doch immer einen Teil von uns anpassen, damit wir trotzdem noch dazugehören?

Ja und nein. Deine suche nach deiner Identität und nach Herausfinden deiner Bedürfnisse kann nur dann funktionieren, wenn du äußere Erwartungen und Einflüsse filterst oder im besten Fall sogar erstmal ignorierst. Es geht um dich! Und je stärker und selbstbewusster du in diesem Prozess wirst, um so mehr kannst du dann auch wieder auf Kompromisse eingehen. Aber erstmal geht es um dich!

Du merkst, zur Selbstfindung gehört also auch geistige und mentale Unabhängigkeit und Stärke, von dem was andere über dich denken. Dadurch entsteht innere Freiheit. Und manchmal hat diese innere Freiheit auch etwas mit dem älter werden und den gesammelten Erfahrungen zu tun, denn je älter wir werden um so leichter fällt es uns, dass Leben zu leben, was wir möchten, egal ob andere es verstehen oder eben nicht.

Ein paar Journaling-Fragen, die du dir dazu stellen kannst:

  • Wie wichtig ist mir die Meinung dieser Person?

  • Vertreten wir die selben Werte?

  • Möchte ich, dass mein Leben so aussieht, wie das Leben dieser Person?

  • Gibt mir diese Person ein gutes Gefühl?



Tipps für die eigene Selbstfindung

  1. Selbstfindung ist ein lebenslanger Prozess: verabschiede dich von der Idee, dass du dich irgendwann findest und dann einfach alles gut ist. Dein Leben und deine Persönlichkeit haben viele Facetten und sind komplex und nuanciert, sie ändern sich stetig und ständig. Doch schon die ersten Schritte auf dem Weg der Selbstfindung werden dich glücklicher und zufriedener machen und du wirst merken, dass sich die Reise lohnt.

  2. Bleibe neugierig: anstatt dich darüber zu ärgern, dass du nicht eines Tages einfach das Ziel erreichst, bleibe neugierig dir selber gegenüber. Wir sind hier um zu lernen und was gibt es schöneres als dich mit jedem Tag ein Stück besser kennen zu lernen?

  3. Verbringe mehr Zeit mit dir: mit anderen Zeit verbringen ist toll, lenkt dich aber auch von dem ab wer oder was du bist oder sein willst. Schenk dir ein bisschen Zeit mit dir, lerne dich kennen. Du bist dein ständiger Begleiter und es wäre doch schade, wenn du die Zeit mit dir nicht geniessen könntest.

  4. Hör auf dich zu vergleichen: als Menschen sind wir ständig im Vergleich, das ist die Natur der Dinge, aber wir können üben oder uns am Anfang auch zwingen, aus dem Vergleich rauszugehen. Selbstfindung ist das was DU willst, was dir wichtig ist. Es geht um dich, nicht um die anderen, also hör auf dich zu vergleichen und bleibe bei dir.

  5. Raus aus der Komfortzone: Selbstfindung heisst auch über deine eigenen Grenzen hinauszugehen. Also die Komfortzone zu verlassen und zu schauen was dort passiert und wie sich das für dich anfühlt. Wenn du etwas über dich lernen willst, musst du Neues ausprobieren und deine Komfortzone hin und wieder verlassen.

  6. Meditation und Achtsamkeit hilft: Selbstfindung hat auch mit Reflexion zu tun und wo können wir das besser tun als in der Meditation. Du kommst dir näher, lernst deine Widerstände kennen und kannst wahrnehmen was gerade für dich präsent ist.

  7. Trau dich dein wahres Ich zu zeigen: je weiter du in deinem Prozess fortgeschritten bist, je mehr du deine Wünsche, Werte und Bedürfnisse kennst, um so mehr solltest du diese auch nach Außen tragen. Oft haben wir Angst, das andere uns dann nicht mehr mögen oder verstehen. Ungefähr genauso oft werden wir überrascht wie positiv Menschen reagieren, wenn wir authentisch für uns selber einstehen. Also trau dich das zu tun und du wirst überrascht sein.



Drei Bücher über Selbstfindung

Wenn du noch mehr Inspiration brauchst, hier sind meine drei liebsten Bücher zum Thema:

  1. Big Magic von Elizabeth Gilbert

  2. Selbstmitgefühl von Kristin Neff

  3. Siddartha von Herman Hesse

Meine Selbstfindung ist immer noch im vollen Gange

Was mich selber Betrifft, kann ich aus vollem Herzen sagen, dass meine Selbstfindung immer noch im vollen Gange ist. Die Frage “Wer bin ich” und “Was mache ich hier” stelle ich mir bereits seit frühester Kindheit.

Und auch wenn die Antworten mit den Jahren immer klarer und präziser werden und ich die eine oder andere wirklich zufrieden stellende Antwort tatsächlich auch schon gefunden habe, lerne ich einfach fürs Leben gern (und lerne auch gern über das Leben).

Ich habe nicht mehr das Gefühl nicht schnell genug voranzukommen oder gar irgendwo eine Abzweigung verpasst zu haben. Im Gegenteil mit jedem Tag mit dem ich mich ein bisschen besser kennenlerne, habe ich immer mehr das Gefühl, genau da zu sein wo ich sein soll.

Und wie bei allen Dingen, die wir üben, sei es Kopfstand, Handstand, Meditation oder eben Selbstfindung wird sie auch mit jeder Phase leichter. Die, sagen wir “härteren” Phasen der Selbstfindung, erkenne ich bereits 10 gegen den Wind und die kleineren Momente der Selbstfindung laufen fast schon wie automatisch ab.

Mein größter Tipp — alles nicht so ernst zu nehmen, nur weil die Entwicklungspsychologie diese Prozesse als Selbstfindung beschrieben hat, heißt es nicht, dass wir das ganze nicht auch mit ein bisschen Humor und Leichtigkeit nehmen können. Die alten Yogis und die yogischen Schriften sprechen von nichts anderem und bis lang haben es alle irgendwie geschafft. Nur denke ich das es mit einem Lachen ein bisschen leichter gehen kann.



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